Kulturfreunde Rötz e.V.

Verein zur Förderung von Kunst & Kultur

 

Stadtführung vom 15.09.2007

 

Auf den Spuren der Reformation

Die Stadtführung zum Thema „Reformation“ der Rötzer Kulturfreunde am 15. September hatte es in sich. Tino Gmach informierte über einen berühmten Rötzer, dessen Leben in Rötz selbst weniger seinen Niederschlag gefunden hat, und dort wo es geschah, ist sein Name auch noch falsch geschrieben. Der Fauxpass eines ehemaligen Kanzleischreibers machte aus Dr. Caspar Guethel (auch Güttel) umgangssprachlich den „Gütl“. Und so heißt in Rötz heute eine Straße nach dem protestantischen Bürgersohn, der Theologie studiert hat und ein enger Freund Martin Luthers war. Die Stadtführungen der Kulturfreunde mit Tino Gmach finden stets großes Interesse. Die Spuren in Rötz sind eher spärlich, doch kleidet er seine Ausführungen in nachvollziehbare Geschichten, die Historie verständlich machen. Am Samstag waren es vorwiegend Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde Waldmünchen-Rötz, die zusammen mit den Pfarrern Jürgen Bauer-Störch und seiner Gattin Jutta Störch Tino Gmach auf den Spuren von Dr. Caspar Guethel folgten.

Stadtführung "Auf den Spuren der Reformation"

Caspar Guethel wurde am 4. oder 5. Januar 1471 in Rötz geboren, er war damit auch ein Zeitgenosse des Guttensteiners. Allerdings lasse sich das Geburtsdatum aktenmäßig nicht belegen,  sagte Gmach. Doch aus der Leipziger Universitätsmatrikel geht seine Abstammung eindeutig hervor. 1494 schrieb er sich als „Caspar Guethel de Reytze“ als Angehöriger der bairischen Nation ein. Sein Gelehrtenname lautete zudem „Retzensis“. Sein Vater dürfte der sehr vermögende Andre Guethel gewesen sein, der 1483 in einer Bürgerliste erwähnt wird. Der junge Caspar Guethel wurde streng katholisch erzogen und war ein sehr ernsthafter junger Mann, ein verzweifelter Gottessucher, wie es zu jener Zeit viele gab. Am Ende des 15. Jahrhunderts herrschte geradezu eine hysterische Angst vor dem himmlischen Strafgericht, die von der Amtskirche auch geschürt wurde. Caspar Guethel fühlte sich in Rötz „wie der Gichtbrüchige im Teich von Bethesda, der da gesagt hat: Ich habe keinen Menschen, der mich zum heilenden Quell trägt“. Er unternahm sieben große Wallfahrten ins Salzburgische, nach Altötting und Aachen. 1494 nahm er an der Universität Leipzig ein Studium der Theologie auf, dass er 1498 mit der Priesterweihe abschloss. Er studierte in Rom und Bologna, ehe er um 1500 seine erste Pfarrstelle in Brüx, dem heutigen Most bei Teplice im heutigen Tschechien antrat - unweit der sächsisch-böhmischen Grenze. 1504 war er wieder im Leipziger Kolleg, wo er sich dem Bibelstudium widmete. Ab 1510 trat Caspar Guethel in Ehrenfriedersdorf bei Zwickau und dort selbst auf. Er war knapp 40 Jahre alt und ein hoch geschätzter und angesehener Kanzelprediger. Er war etabliert und hatte alles erreicht, was er im Grunde gar nicht wollte, beschrieb Tino Gmach den Rötzer Bürgersohn. Um vollkommen zu werden, verschenkte er sein Vermögen an die Kirche von Zwickau und trat in das Augustinerstift Neustadt an der Ohra ein. Aber mit einem Leben in klösterlicher Abgeschiedenheit sollte es nichts werden.

Stadtführung "Auf den Spuren der Reformation"

Der Generalvikar des Ordens von Staupiz berief Caspar Guethel in die Ordenszentrale nach  München. Nur unter dem Druck mehrer einflussreicher Zwickauer Bürger gelang es, die Versetzung nach Bayern zu verhindern. Ihm wurde das Kloster Eisleben als neue Wirkungsstätte verordnet. Hier fand er die Zeit, sich seinen wissenschaftlichen Studien zu widmen und seine Doktorarbeit im Fach Philosophie an der Uni Leipzig zu vollenden, die er 1517 veröffentlichte. Wenige Monate später sollte der Thesenanschlag seines Mitbruders Martin Luther sein weiteres Leben grundlegend ändern. Wurden Luthers Thesen zunächst innerhalb des Ordens kontrovers diskutiert, stießen sie bei einem Großteil der Mönche auf begeisterte Zustimmung. Als einer der Ersten bezog Caspar Guethel Luthers Gedankengut in seine Fastenpredigt von 1518 ein und veröffentlichte diese noch vor Luther selbst. Luthers Thesen hatten den Orden der Augustiner-Eremiten in seine größte Krise gestürzt. Die Mönche verließen die Klöster scharenweise, der Generalvikar trat zurück, die Ordensoberen wurden zur Generalversammlung nach Heidelberg berufen. Dabei lernten sich Luther und Guethel persönlich kennen, wobei sie eine lebenslange Freundschaft begründeten. Als über Martin Luther die Reichsacht verhängt worden war und dieser 14 Monate auf der Wartburg untertauchen musste, trat Caspar Guethel in Wort und Schrift mit Vehemenz für die Reformationsidee ein. Pfarrer Jürgen Bauer-Störch gab bei der Führung am Samstag preis, dass die Kirchengemeinde dem Freund Luthers aus Rötz noch in diesem Herbst im Umfeld der Auferstehungskirche eine Gedenktafel widmen will.

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